Selbstverteidigungslehrgang des DJJR in Weilheim (Obb.) am 28. Juni 2014

Ein akut (lebens-) bedrohlicher Angriff – so ließe sich in aller Kürze eine Situation beschreiben, in der Selbstverteidigung notwendig und gerechtfertigt ist. Sie schließt per se vor allem zwei Dinge aus: zögerliches Agieren und ineffektive Techniken. Vielmehr gilt es, ein Repertoire schnell ausführbarer und wirksamer Kontermöglichkeiten bereit zu haben, um variabel auf unterschiedlichste Attacken reagieren zu können. Diese Vielfalt erreicht man jedoch nur, wenn man auf die Erfahrungen aus verschiedenen Kampfkunstsystemen zurückgreift und sie entsprechend einsetzt.

Genau dieses Ziel verfolgte der SV-Lehrgang am 28. Juni 2014 in Weilheim, zu dem der DJJR und die Abteilung Jiu-Jitsu / Shaolin Tempel-Boxen des TSV 1847 Weilheim e.V. unter der Leitung von Thomas Gerold (6. Dan Jiu-Jitsu / 1. Kampfdan Tempel-Boxen) geladen hatten. Bereits der ersten Übungseinheit lag ein sehr zentrales Thema zugrunde: Abwehrtechniken gegen Kontaktangriffe. Sie fand unter der Leitung von Hannelore Sieber (9. Dan Jiu-Jitsu / 7. Dan Zen-Do-Karate) statt, die mehrere „typische“ Attacken / Festhaltegriffe sowie die Befreiung aus ihnen demonstrierte. Letzterer folgten jeweils eine oder mehrere Reaktionsoptionen, um den Kampf zu den eigenen Gunsten zu beenden. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf Kontern, die auch bei körperlicher Unterlegenheit durchführbar sind, so z.B. in Folge von Umklammerungen des Körper sowie der Handgelenke oder bei Angriffen von hinten.

Diesem ersten Trainingsabschnitt schlossen sich einige Grundlagenübungen der im Karate gängigen Schlag-, Stoß- und Tritttechniken an, die Harald Weitmann (8. Dan Okinawa-Karate / 5. Dan Kobudo) referierte. Direkt nach der Einübung einer sauberen und kontrollierten Ausführung erfolgte die Umsetzung der einzelnen Aktionen in Kampfsituationen. Mittels Pratzentraining und durch Übungen mit dem Partner erhielten die Teilnehmer nicht nur ein Gefühl für die eigene Schnelligkeit und Schlagkraft, sondern auch für die Feinheiten der Durchführung, die eine Technik erst wirklich effektiv machen – abseits eines rein kraftbasierten Vorgehens.
Nach einer Mittagspause, in der alle mit Getränken, belegten Brötchen, Kaffee und Kuchen verwöhnt wurden (vielen Dank an die Mitwirkenden!), stand der Lehrgangsnachmittag unter der Prämisse des Übergangs in die Bodenlage und des Bodenkampfes. Thomas Gerold leitete die jeweiligen Kampfaktivitäten mit Elementen aus dem Tempel-Boxen ein, überführte diese dann aber zumeist in Techniken, mit deren Hilfe der Gegner zu Boden gebracht werden konnte, wie z.B. das Wegziehen eines Beines, Fege- und Rammtechniken im Beinbereich oder Schulterwürfe. Natürlich muss auch jederzeit damit gerechnet werden, dass der Gegner den eigenen Angriff kontert und man sich selbst in der ungünstigen Bodenlage wieder findet. Dieser Situation zu begegnen und den Nachteil möglichst in einen erneuten Vorteil zu verwandeln, war ein weiterer Teil der Ausführungen.

Auf diese Weise wurde ein perfekter Übergang zur letzten Übungseinheit des Lehrganges geschaffen, in der Don Felix Ryzek (2. Dan Judo / BJJ-Wolfpack Jujitsu) zunächst Geschicklichkeits- und Beweglichkeitsübungen zur Vorbereitung auf das eigentliche Training – den reinen Bodenkampf – durchführte. Bereits an ihnen wurde klar, wie kräftezehrend Aktionen auf dem Boden sind und wie essentiell Wendigkeit, Koordination, technische Perfektion und gezielter Krafteinsatz sind, um einen entsprechenden Kampf für sich zu entscheiden. Die folgenden, ebenfalls auf Selbstverteidigung ausgerichteten Bewegungsabläufe zeigten den Teilnehmern Befreiungsmöglichkeiten auf, wenn der Gegner bereits halb oder ganz den eigenen Körper durch sein Gewicht niederdrückt bzw. auf ihm liegt.

Nach dieser sehr interessanten Einheit, die einem Großteil der anwesenden Kampfsportler neue Aspekte des Bodenkampfes aufzeigte, endete der gelungene, konzeptionell durchdachte Lehrgang mit einem besonders freudigen Ereignis: Thomas Gerold wurde aufgrund seiner langjährigen Aktivitäten und Erfolge in den Disziplinen des Budo der 7. Dan Jiujitsu-Karate vom ersten Vorsitzenden des DJJR-Großmeisterkollegiums Lothar Sieber (10. Dan Jiu-Jitsu / Zen-Do-Karate [Soke]) verliehen. Wir beglückwünschen Thomas Gerold herzlich und danken allen Lehrgangsorganisatoren und Mitwirkenden.

Text: Dr. Nicola Ettlin

 

Nach oben scrollen